Holger Kube im Interview: Wie die WISAG maximale Stromautarkie erreichen will
Die Klimakrise ist eine der größten globalen Herausforderungen unserer Zeit – vor allem Unternehmen stehen in der Pflicht, ihre Nachhaltigkeitsbemühungen zu intensivieren, damit das Leben auf unserer Erde für heutige und kommende Generationen lebenswert bleibt. Dabei spielt die Abkehr von fossilen Energieträgern eine entscheidende Rolle. Erfahren Sie in unserem Interview mit Holger Kube, Geschäftsführer der WISAG Energieversorgungs GmbH & Co. KG, welche Ziele sich die WISAG im Bereich Strom gesetzt hat, mit Hilfe welcher Technologien die WISAG maximale Stromautarkie erreichen will, und welche Herausforderungen es auf diesem Weg zu bewältigen gilt.
Herr Kube, warum ist der Umstieg auf Ökostrom für die WISAG so wichtig und welche Ziele wollen Sie erreichen?
Als Unternehmen mit rund 50.000 Mitarbeitenden tragen wir eine große Verantwortung, was das Thema Nachhaltigkeit und die Zukunft unserer Erde betrifft. Aus diesem Grund haben wir uns in unserer Vision 2030 das ambitionierte Ziel gesetzt, bereits im Jahr 2024 die bilanzielle Treibhausgasneutralität für unsere Scope 1- und Scope 2-Emissionen zu erreichen. Das wird uns im ersten Schritt nicht ohne Kompensation gelingen, weshalb wir bis dahin nicht vermeid- und reduzierbare Treibhausgasemissionen durch die zertifizierter Klimaschutzprojekte ausgleichen werden. Der größere Fokus liegt allerdings auf der Umsetzung von Maßnahmen zur Vermeidung und konsequenten Reduzierung unserer eigenen Treibhausgasemissionen. Dazu zählt nicht nur die nachhaltige Ausrichtung unserer Dienstleistungen, sondern auch, dass alle Standorte der WISAG mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgt werden, den wir selbst erzeugen. Unser Ziel ist es, maximale Stromautarkie zu erreichen, indem wir unseren Strombedarf an unseren eigenen Abnahmestellen in 2024 zu 100 Prozent mit eigens produziertem Ökostrom decken. Das hat für uns gleich mehrere Vorteile: Wir leisten damit nicht nur einen wertvollen Beitrag zur Energiewende, sondern sichern uns durch die Entkopplung vom Strommarkt auch stabile Produktionskosten für die kommenden 20 Jahre.
Auf welche Technologien setzt die WISAG, um unabhängig von fossilen Energieträgern zu werden?
Aktuell fokussieren wir uns auf eine Kombination aus Windkraft und Photovoltaik, zwei ausgereifte Technologien, die als Schlüssel zur Energiewende gelten. Als eines der ersten Dienstleistungsunternehmen in Deutschland haben wir daher im Juni 2023 zwei hochmoderne Windenergieanlagen in Wiebelsheim erworben, die von unserem Projektpartner JUWI voraussichtlich Ende November 2023 fertiggestellt werden. Die beiden Windräder vom Typ Vestas V126 verfügen jeweils über eine Leistung von 3,3 Megawatt (MW). Nach ihrer Inbetriebnahme werden sie circa 17 Gigawattstunden (GWh) grünen Strom pro Jahr produzieren. Damit werden wir den aktuellen Strombedarf an unseren eigenen Abnahmestellen in Deutschland vorerst decken können. Da unser Strombedarf aufgrund der sukzessiven Elektrifizierung unseres Fuhrparks und des angestrebten Wachstums allerdings weiter steigen wird, haben wir vorgesorgt und im September 2023 ein weiteres Windrad in Wörrstadt erworben: eine Vestas V150, die zusätzlich rund 14 Gigawattstunden (GWh) pro Jahr liefert. Außerdem planen wir, die Dächer unserer eigenen Immobilien mit Photovoltaik-Anlagen auszustatten. So haben wir an unserer Niederlassung in Frankfurt-Zeilsheim auf einer Dachfläche von circa 550 Quadratmetern 200 Solarmodule mit einer Gesamtleistung von 82 Kilowatt-Peak (kWp) installiert. Rein theoretisch können damit jährlich etwa 75.000 Kilowattstunden (kWh) grüner Strom erzeugt werden, allerdings warten wir seit Monaten auf den Netzanschluss durch den örtlichen Netzbetreiber.
Welche weiteren Herausforderungen sind mit der Realisierung von Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien verbunden?
Insbesondere Windkraftprojekte unterliegen sehr langen Genehmigungsverfahren, was den dringend benötigten Ausbau eher bremst als beschleunigt. Im Durchschnitt können von der Planung bis zur Genehmigung bis zu fünf Jahre verstreichen, weswegen wir uns auf vollständig projektierte und bereits in Betrieb befindliche Windenergieanlagen konzentriert haben. Des Weiteren müssen wir uns damit beschäftigen, wie die Windräder nach einer Nutzungsdauer von 20 bis 25 Jahren recycelt werden können. Während ein Großteil der Komponenten in den Kreislauf zurückgeführt werden kann, stellt die Entsorgung der Rotorblätter derzeit noch eine große Herausforderung dar. Hier liegt es an der Windkraftbranche, zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln. Und auch der Eingriff in die Natur sollte beim Bau von Windenergieanlagen nicht unterschätzt werden. Um diesen möglichst naturverträglich zu gestalten, setzen wir gemeinsam mit dem NABU verschiedene Ausgleichsmaßnamen um, mit welchen wir den notwendigen Eingriff in die Natur mindestens in gleichem Umfang kompensieren. Basis dafür stellen umfangreiche Artenschutzuntersuchungen und strenge Umweltverträglichkeitsprüfungen dar, die Bestandteil eines jeden Genehmigungsverfahrens sind. In diesem Zusammenhang haben wir rund um die beiden Windräder in Wiebelsheim beispielsweise Ersatzlebensräume für Wildkatzen, Schwarzstörche, Rotmilane und Fledermäuse geschaffen. Auch der Verlust eines jeden Baumes, der wegen des Projektes gefällt werden musste, wird durch die Anpflanzung neuer Bäume an anderer Stelle in Standortnähe kompensiert.